Mehrere Artikel im deutschen Ärzteblatt 24-2024 widmen sich der Alzeheimerdemenz und den neuen Antikörper-basierten Therapieoptionen. Diese zielen spezielle darauf ab das Protein Beta-Amyloid zu binden und für dessen Abbau zu sorgen.
Da die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) zunächst im Frühjahr 2024 eine Zulassung wegen Sicherheitsbedenken abgelehnt hatte, wurde nach Einspruch der Pharmafirma Eisai im Herbst 2024 eine Empfehlung zur Zulassung des Medikaments unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen.
Aufgrund der bisherigen Studienergebnisse kommt nur ein kleiner Kreis der Demenzbetroffenen für die Therapie in Frage.
Das aktuelle EMA-Votum bezieht sich auf
- erwachsene Personen mit leichter kognitiver Einschränkung oder milder Demenz auf Basis einer Alzheimer-Erkrankung und
- Betroffen mit einer speziellen Gen-Konstellation (nur eine oder keine Kopie des Risiko-Gens ApoE4 haben) und
- eine nachgewiesene Amyloid-Pathologie (z.B. durch Nachweis im Liquor / Nervenwasser oder mittels Amyloid-PET).
Folgende Konstellationen oder Begleiterkrankungen schließen eine Therapie mit Lecanemab zusätzlich aus:
- Patienten mit Amyloidablagerungen in Hirngefäßen (Amyloidangiopathie) oder anderen fortgeschrittenen Hirngefäßerkrankungen
- schlecht eingestellter Bluthochdruck
- Einnahme von Medikamenten zur Blutverdünnung (Antikoagulantien)
Diese strengen Vorgaben wurden als Vorsichtsmaßnahmen aufgrund des spezifische Risikoprofil des Medikaments mit Gefahr von Hirnblutungen und Hirnschwellungen erstellt. Ziel ist es, dass die Risiken nicht größer als der Nutzen sind.
Aufgrund dieser speziellen Vorgaben schätzt die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN), dass in Deutschland nur ca. 800 – 1000 Patienten jährlich für die Therapie infrage kommen. Bei den anderen sei das Risiko für teils schwere Nebenwirkungen zu hoch. Diese Zahlen sind bei ca. 440.000 jährlichen Demenz-Neuerkrankungen eher kein „Durchbruch“ in der Demenztherapie.
„Lecanemab ist kein Wundermittel“, betonte der Generalsekretär der DGN Prof. Berlit. Studien zeigten, dass das Voranschreiten der Demenz verlangsamt, aber nicht gestoppt werden kann. Eingesetzt in einem frühen Stadium der Demenz, kann die Therapie das Voranschreiten der Demenz um ca. ein Drittel bremsen. Das bedeutet, dass in einem Beobachtungszeitraum von 18 Monate die behandelten Personen 6 Monate ohne neue Demenzsymptome waren. Wahrscheinlich gibt es laut neueren Studien auch auch nach 18 Monaten noch einen Effekt, wobei das Ausmaß der positiven Wirkung auf die Kognition derzeit nicht genau genannt werden kann. Eventuell sind die Effekte bei Frauen geringer als bei Männern.
Nicht zu unterschätzen ist der Aufwand, der für die Therapie betrieben werden muss:
- Lecanemab wird alle 2 Wochen als Infusion verabreicht.
- Zusätzlich sollen ca. alle 1-2 Monate MRT-Untersuchungen des Kopfes zur Überwachung der Nebenwirkungen durchgeführt werden.
Unklar sind derzeit auch die Kosten der Therapie und erforderlichen Diagnostik vor Beginn der Therapie und zur Überwachung während der Therapiephase. Wahrscheinlich werden jährlich Kosten von über 30.000 Euro entstehen, deren Übernahme aufgrund der angespannten finanziellen Situation des Gesundheitssystems noch geklärt werden müssen.
Da auch andere Mechanismen bei der Demenz für den Abbau der kognitiven verantwortlich sind, ist der alleinige Ansatz der Amyloidreduktion wahrscheinlich nicht zielführend. Neuere Ansätze zielen z.B. auch auf das Tau-Protein ab, wobei dafür noch keine zugelassenen Wirkstoffe zur Verfügung stehen.
Die derzeit verfügbaren Therapieansätze kommen wahrscheinlich zu spät, um grundlegend an der Entstehung der Demenz etwas zu verändern. Viele Studien weisen darauf hin, dass die Demenzveränderungen wahrscheinlich schon 10-20 Jahre vor den ersten erkennbaren Symptomen auftreten.
Die beste Demenztherapie ist von daher immer noch die Prävention!
Welches Ausmaß die Prävention und Reduktion von Risikofaktoren hat, zeigen die Ergebnisse einer Übersichtsarbeit aus der Fachzeitschrift The Lancet aus dem Jahr 2022:
40% der Demenzrisikofaktoren sind beeinflussbar (siehe Grafik)

Deutsches Ärzteblatt 2022